Was sind maßgebliche Gründe für die hohe Inflation? Welche Auswirkungen hat sie auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland? Kann der Staat in dieser Situation als Retter auftreten und wirkungsvolle Instrumente einsetzen? Was bringen in diesem Zusammenhang konzertierte Aktionen? Diese und weitere Fragen standen im Mittelpunkt unserer aktuellen „Positionsbestimmung“ mit Professor Dr. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Und seine Antworten sind eindeutig.
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Die deutsche Wirtschaft befinde sich durch postpandemische Auftriebskräfte, die Nachwehen der Corona-Krise und durch Schockwellen infolge des Ukraine-Krieges in einem schwierigen Fahrwasser. Eine wirtschaftliche Erholung werde deshalb nur gedämpft stattfinden. Weitere Bremseffekte seien der noch stärkere Inflationsdruck und neue Lieferengpässe. Für das Gesamtjahr 2022 rechnet er deshalb mit einer Inflationsrate von 7,4 Prozent, die auch im Jahr 2023 nur auf 4,2 Prozent zurückgehen werde.
Der aktuelle Inflationsdruck basiere dabei keineswegs nur auf dem Schub durch die stark gestiegenen Energiepreise. Als kurzfristige Reaktion auf diesen Energiepreisschub empfiehlt Kooths, die Preissignale wirken zu lassen, geplante Hilfen wenn überhaupt zielgenau auf bedürftige Haushalte zu begrenzen, nur auf EU-Ebene koordinierte Maßnahmen durchzuführen und die Energieversorgung zu diversifizieren. Professor Kooths stellte außerdem klar: „Ob wir mittelfristig zu höheren Inflationsraten kommen oder nicht, kann man nicht der Demografie, der Dekarbonisierung oder den Tarifparteien in die Schuhe schieben. Das entscheidet sich an der Geldpolitik.“ Das Problem der Inflation werde somit nicht von der Politik oder durch konzertierte Aktionen zwischen Politik und Sozialpartnern gelöst, sondern die Europäische Zentralbank sei in Pflicht die richtigen geldpolitischen Impulse zu setzen.
„Ob wir mittelfristig zu höheren Inflationsraten kommen oder nicht, kann man nicht der Demografie, der Dekarbonisierung oder den Tarifparteien in die Schuhe schieben. Das entscheidet sich an der Geldpolitik.“
Professor Dr. Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel
Außerdem sei ein verändertes Mindset in der Wirtschaftspolitik nötig, um die Inflation in den Griff zu bekommen – weg von Beschäftigungsprogrammen hin zu reiner Wachstumspolitik: „Wir müssen alles weglassen, was zusätzliche Bürokratie und Kosten schafft“, verdeutlichte Kooths. Das bedeute weniger Subventionen oder staatlichen Interventionismus und stattdessen mehr marktwirtschaftliche Lösungen, Technologieoffenheit, Deregulierung und Freihandelsabkommen. Haushaltspolitisch müssten klare Priorisierungen vorgenommen werden statt die Ausgabenliste beständig zu erweitern. Als Reaktion auf die demografische Entwicklung und die nötige Stabilisierung der Alterssicherungssysteme sei das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln und mit dem schrittweisen Aufbau einer kapitalgedeckten Säule zu beginnen. Und vor allem dürften keineswegs neue und unproduktive Regulierungslasten die weitere wirtschaftliche Entwicklung behindern wie es negative Beispiele wie das Lieferkettengesetz oder die EU-Taxonomie bereits täten. Statt in der Wirtschaftspolitik weiter das Motto „Machen, was Arbeit schafft“ zu verfolgen, müsse das zukünftige Leitmotiv lauten: „Schaffen, was Arbeit macht.“
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