Besonders von den Weihnachtsfeiertagen erhoffen sich viele eine entschleunigte, rundum schöne Zeit. Doch das ist manchmal leichter gewünscht als getan. Wie Sie Ihr Gehirn gezielt darauf trainieren, auch mal abschalten zu können, verraten Hirnforscher Prof. Stefan Kölsch und Stressmanagement-Expertin Maren Kujath.
Bild: stock.adobe.com/Maridav
Sprang in den frühen Jahren der Menschheitsgeschichte ein gefährliches Raubtier aus dem Busch, hat das Unterbewusste blitzschnell die Kontrolle übernommen und den Fluchtmodus aktiviert. Seitdem hat sich unsere Umwelt stark verändert. Blitzschnell reagieren und Handlungsalternativen abzuwägen, ist zwar auch heute in vielen Situationen noch wichtig. Doch was früher der Säbelzahntiger war, sind heute oft Termindruck oder zwischenmenschliche Konflikte, also keine lebensgefährliche Bedrohung, erklärte Stressmanagement-Expertin Maren Kujath auf unserem Gesundheitstag Anfang des Monats. Das ist unserem Unterbewussten allerdings oft nicht klar. Dementsprechend produziert es heutzutage oft Überreaktionen – in Form von zu viel Sorgen, Ärger oder Feindschaft und erzeugt „negative Gedankenschleifen“.
Das sind Gedanken, die unentwegt um ein Thema kreisen, das bei uns Sorgen oder Ärger auslöst. Das Thema wird immer und immer wieder durchdacht, ohne dabei einer Lösung näherzukommen. Es ist also ein komplett uneffektives und auch ungesundes Grübeln, erklärte Prof. Dr. Kölsch in unserer letzten „Positionsbestimmung“ Mitte November.
Studien hätten gezeigt, dass zu viel negative Gedanken nicht nur eine psychische Belastung sind, sondern zu tatsächlichen physischen Schmerzen führen, erklärte der Hirnforscher. Darunter fallen etwa Kopf-, Magenschmerzen oder Herzkrankheiten oder auch die höhere Anfälligkeit für Infekte und natürlich auch mentale Krankheiten wie Depressionen oder Burnout.
Eingängig erläuterte er das anhand eines Beispiels: Die Psychologin Deborah Danner untersuchte anhand der Lebensgeschichten von Nonnen, wie viel Lebenszeit negative Emotionen kosten können. Im Jahr 1930 forderte die Oberin der School Sisters of Notre Dame jede neue Nonne auf, eine Seite über die eigene Lebensgeschichte aufzuschreiben. Hunderte Nonnen schrieben daraufhin in den folgenden Jahren ihre Lebensgeschichten auf. Dabei waren sie im Durchschnitt 22 Jahre alt. Sieben Jahrzehnte später analysierte Danner 180 dieser Lebensgeschichten. Sie zählte, wie viele positive bzw. negative Erlebnisse beschrieben und wie viele positive und negative Emotionswörter dafür benutzt wurden. Danner wollte wissen, ob das Sterbealte der Nonnen, die besonders viele positive Erlebnisse beschrieben hatten, sich vom Sterbealter derjenigen unterschied, die besonders wenige positive Erlebnisse beschreiben hatten. Mögliche Unterschiede konnten nicht an den äußeren Lebensbedingungen liegen, denn diese waren für alle Nonnen sehr ähnlich. Auch ihre Lebensweisen waren fast gleich. Sie fand heraus, dass die Nonnen, die besonders viele positive Erlebnisse beschrieben hatten, deutlich länger lebten. Und zwar im Durchschnitt zehn Jahre.
Es lohnt sich also, negativen Emotionen bzw. unserem Unterbewusstsein Einhalt zu gebieten. „Entkatastrophisieren sagt man dazu“, erläuterte Kujath. Zum Glück gäbe es ein paar einfache Tricks, das eigene Unterbewusste zu überlisten.
Zum Beispiel sich zu fragen „Was würde mein 80-jähriges Ich denken? Würde es die aktuelle Situation auch so schlimm bewerten oder vielleicht lächelnd darüber hinwegsehen?“, riet Kujath. Dabei gehe es nicht darum, den Stress „wegzumeditieren“, sondern um die eigene Wahrnehmung und Bewertung von Stress oder anderen negativen Emotionen.
„Einer der einfachsten und effektivsten davon ist, sich in einem Satz zu sagen, was gerade eigentlich das Problem ist, und in einem weiteren, was man bewusst will. Negative Gedankenschleifen kann man dadurch ausschalten, dass man sich deutlich sagt. Aha, das sind Gedankenschleifen. Nun konzentriere ich mich auf das, was ich gerade tun wollte“, erklärte Prof. Kölsch. „Durch solche Tricks können wir unsere negativen Gedanken und Emotionen kontrollieren, bevor sie uns kontrollieren. Dies zu schaffen, gehört zu den größten persönlichen Erfolgen, die man im Leben erzielen kann.“
Dazu hat Prof. Kölsch eine mehrstufige Methode entwickelt, die er „Medi-Working“ nennt.
So funktioniert Medi-Working:
Stefan Kölsch ist Professor für biologische, medizinische und musikbezogene Psychologie an der norwegischen Universität in Bergen und ergründet als renommierter Hirnforscher die Bedeutung und Gefahren des Unterbewussten für unser Leben. Grundlage dieses Artikels ist sein aktuelles Buch „Die dunkle Seite des Gehirns“ (SPIEGEL-Bestseller).
Übrigens: Auch im Zusammenleben mit anderen können wir das Unterbewusste überlisten. Es wirke zum Beispiel bei einem Streit oft Wunder, wenn man herausfindet, was der anderen Person eigentlich wichtig ist, und deren Sichtweise so wiedergibt, dass sie zustimmt, so Kölsch. Wenn man der anderen Person dann auch noch sagen würde, dass man sie versteht und erkennt, was ihr wichtig ist, läge die Lösung des Konflikts meist bereits sehr nahe.
Vielleicht bieten Ihnen die anstehenden Feiertage Gelegenheit diese Methoden auszuprobieren. Wir wünschen Ihnen auf jeden Fall stressfreie Festtage und einen mindestens ebenso entspannten Start ins neue Jahr!
Wie Sie Ihre mentale Gesundheit stärken, indem Sie Stressoren erkennen und Ihre Stresskompetenz optimieren, erfahren Sie in unserem Questwärts-Seminar mit Maren Kujath „Keep cool: Stressbewusstsein schärfen und Achtsamkeit erhöhen“ am 28. April von 9 bis 16.30 Uhr in Laatzen.
Weitere Infos finden Sie hier.
Liste der Artikel