Chemie und Luftfahrt haben eine große Gemeinsamkeit: Extrem hohe Sicherheitsanforderungen erfordern durchdachte Sicherheitstrainings. Warum also nützliche Erkenntnisse aus der Luftfahrt nicht auf die Chemie übertragen? Genau das hat Covestro gemacht und zusammen mit erfahrenen Piloten deren Sicherheitstraining auf die Chemiebranche adaptiert. Seit dem vergangenen Jahr schult Covestro seine gesamte Belegschaft. Am Standort Brunsbüttel ist Jürgen Evers einer der Trainer des zweitägigen Sicherheitstrainings „Team Resource Management“ (TRM) und vermittelt, wie jeder Mitarbeitende in seiner/ihrer täglichen Arbeit dazu beitragen kann, Unfälle zu vermeiden.
„Das übergeordnete Ziel von unserem neuen Sicherheitstraining ist es, bei unseren Kolleginnen und Kollegen das Bewusstsein für die Bedeutung eher weicher Faktoren für die Sicherheit unserer Produktionsanlagen zu schärfen und ihnen geeignete Tools an die Hand zu geben, mit denen sie im Alltag mögliche Fehlerquellen minimieren“, erklärt Evers, der hauptberuflich bei Covestro für die Qualifizierung der Mitarbeitenden zuständig ist und sich um die Kommunikation am Standort kümmert. Hinter dem Konzept stehe die schmerzhafte Erfahrung der Luftfahrt, dass viele Katastrophen durch bessere Kommunikation und das richtige Verhalten vermeidbar gewesen wären. So soll das Training die Teilnehmenden beispielweise dazu ermutigen, Auffälligkeiten und Abweichungen umgehend anzusprechen und nicht etwa aus falsch verstandener Rücksicht auf Kollegen und Kolleginnen großzügig darüber hinwegzusehen oder diese aus falsch verstandenem Respekt vor den Vorgesetzten zu verschweigen. „Es ist nur menschlich, ab und an die sprichwörtlichen Fünf gerade sein zu lassen. In der Regel zieht ein solches Verhalten auch keine negativen Konsequenzen nach sich, weshalb es Menschen oft schwer fällt, kleine Regelverletzungen anzusprechen. Denn damit macht man sich in der Regel nicht beliebt“, so Evers.
Jedes Fehlverhalten für sich betrachtet erscheine erst einmal nicht so schlimm – bspw. Handys an Produktionsarbeitsplätzen zu nutzen oder zu spät zur Schichtübergabe zu kommen. Kritisch werde es aber, wenn sich mehrere Verstöße unglücklich aneinanderreihen – dann wisse niemand, ob er oder sie nicht mal die letzte Instanz vor einem Unfall ist
„Beim TRM geht es – viel stärker als bei anderen Trainings – darum, sich das bewusst zu machen und vor allem auch die erlernten Methoden anhand einer Simulation und Fallbeispielen direkt anzuwenden“, erklärt Evers. Besonders relevant sei das für die vielen jungen Kolleginnen und Kollegen, die kritische Situationen noch nie kennengelernt haben. Zugleich legt TRM einen Fokus darauf, mögliche Fehlerquellen und Missverständnisse in der alltäglichen Kommunikation zu vermeiden, die ebenfalls zu Fehlern führen können.
Das Mantra lautet: Ich bin verantwortlich für Abweichungen und Auffälligkeiten. Damit kann ich Unfälle vermeiden.
Jürgen Evers, Trainer von Covestro für das Sicherheitstraining „Team Resource Management“
Was ein Schweizer Käse mit Arbeitssicherheit zu tun hat
Die TRM-Trainings bei Covestro sind sehr interaktiv angelegt und geben den Teilnehmenden in lockerer Atmosphäre alltagstaugliche Werkzeuge an die Hand, die richtig angewendet eine große Wirkung entfalten können. Dabei wechseln sich Vorträge und interaktive Simulationen fließend ab, so dass die Teilnehmenden die erlernten Techniken direkt gemeinsam ausprobieren können. Im Anschluss folgen immer Feedback-Runden, in denen die Teilnehmenden das Erlebte reflektieren können. Dies führe regelmäßig zu AHA-Momenten. Nach dem Abschluss des Präsenztrainings liegt der Fokus auf dem Transfer in die betriebliche Praxis. Dazu erhält jeweils eine Gruppe von 12 Mitarbeitenden einen Begleiter, der das Thema im Alltag vorantreibt und bei der Umsetzung unterstützt. Das globale Programm wird bei Covestro an allen Standorten für die Mitarbeitenden in der Produktion ausgerollt. In Brunsbüttel wurden bislang über 90 Prozent der Belegschaft mithilfe der TRM-Methode geschult.
Das TRM-Konzept wurde ursprünglich Ende der siebziger Jahre in der Luftfahrt als „Crew Resource Management“ entwickelt. Über die Zeit wurde es für die Anwendung in anderen Bereichen wie etwa der Notfallmedizin adaptiert. Covestro hat das Konzept in Zusammenarbeit mit externen Partnern für die Anforderungen der chemischen Industrie adaptiert. Bei Covestro in Brunsbüttel ist Jürgen Evers einer der insgesamt fünf internen Trainer. Dafür hat er zunächst ein Train-the-Trainer-Programm durchlaufen und wurde im Anschluss vier Tage extern von TRM-Experten aus der Luftfahrt geschult. „In der Luftfahrt ist es ja so, dass die Crewbesetzung immer komplett wechselt. Das heißt, der Pilot fliegt immer mit anderen Co-Piloten und anderen Teams. Dadurch wird Routine vermieden und die interne Rücksprache gefördert. Und das läuft erfolgreich, denn alle Beteiligten haben die Abläufe drauf und sämtliche Anweisungen vom Piloten werden bspw. in aller Ruhe vom Co-Piloten wiederholt“, erklärt Evers.
Was mir besonders gut gefallen hat, sind die vielen Werkzeuge, die wir gezielt anwenden konnten. Wir sind also die gleiche Aufgabe mit und ohne Kenntnis der Methode durchgegangen. Und ich kann definitiv sagen: Mit der methodischen Kenntnis lief die Zusammenarbeit viel koordinierter ab, das Miteinander in der Kommunikation war strukturierter und insgesamt das Ganze ruhiger und zielführender. Wir haben also direkt nach wenigen Stunden einen Effekt gemerkt.
Teilnehmer-Statement von Sebastian Werner, Trainingsexperte bei Covestro in Brunsbüttel
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