Künstliche Intelligenz ist gekommen, um zu bleiben. Wie also kann man als Unternehmen im Personalmanagement den besten Nutzen daraus ziehen, ohne Risiken und Gefahren zu ignorieren? Dazu haben wir Prof. Dr. Manuel Trenz von der Universität Göttingen befragt, der in unserer kürzlichen Info-Veranstaltung "KI in modernen Unternehmen" spannende Einblicke aus seiner Forschungsarbeit gegeben hat.
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Herr Prof. Trenz, wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Potenziale von Künstlicher Intelligenz im Personalmanagement?
KI kann im Personalmanagement an vielen Stellen unterstützen – von der Rekrutierung über die Personalentwicklung bis hin zur Mitarbeiterbindung. Besonders großes Potenzial sehe ich in der Automatisierung von Interaktionen, der datengetriebenen Entscheidungsunterstützung sowie der Individualisierung von Weiterbildungsmaßnahmen. KI-gestützte Systeme können etwa Bewerbungen effizienter filtern, Führungskräften personalisierte Handlungsempfehlungen geben oder durch Predictive Analytics Kündigungsrisiken frühzeitig erkennen.
Gibt es dabei Grenzen oder Gefahren?
Eine der größten Herausforderungen ist der verantwortungsvolle Umgang mit KI-Entscheidungen. Algorithmen können Verzerrungen (Bias) enthalten und diskriminierende Muster verstärken, wenn sie nicht sorgfältig trainiert und überwacht werden. Zudem gibt es ethische Bedenken beim Einsatz von KI zur Leistungskontrolle von Mitarbeitenden. Transparenz und Erklärbarkeit der KI-Modelle sind daher essenziell, um Vertrauen und Akzeptanz zu fördern. Nicht zuletzt der AI-Act der EU stellt besonders hohe Anforderungen an den Umgang mit KI-Lösungen, die persönliche Daten verwenden.
Wo steht Deutschland beim Einsatz von KI im Personalmanagement im internationalen Vergleich?
Deutschland hat eine starke Forschungslandschaft im Bereich KI, aber bei der praktischen Umsetzung hinken wir im internationalen Vergleich hinterher. Länder wie die USA oder China setzen KI-Technologien oft schneller und breiter ein, weil dort eine höhere Risikobereitschaft besteht und regulatorische Hürden niedriger sind oder aktuell sogar komplett abgebaut werden. In Deutschland gibt es eine gewisse Zurückhaltung, insbesondere wegen Datenschutzbestimmungen und einer nicht immer schlüssigen Sorge um Arbeitsplatzverluste. Andererseits sind deutsche Unternehmen oft sehr gründlich bei der Implementierung, was langfristig zu nachhaltigeren und ethisch verantwortlicheren Lösungen führen kann.
Mit welchem Bereich oder welchem Thema sollte ein Unternehmen starten, wenn es KI im Personalmanagement einsetzen möchte?
Ein nachhaltiger KI-Einsatz beginnt mit einer klaren Strategie: Unternehmen sollten zunächst identifizieren, in welchem Bereichen KI den größten Mehrwert bieten kann. Danach empfiehlt sich ein schrittweiser Ansatz, etwa mit Pilotprojekten wie KI-gestützten Chatbots oder Analysetools für die Personalplanung. Entscheidend ist auch die Mitarbeitereinbindung – wenn HR-Teams verstehen, wie KI funktioniert und welche Vorteile sie bietet, steigt die Akzeptanz.
Die Forschung zeigt, dass KI-Projekte dann besonders erfolgreich sind, wenn sie durch gezielte Weiterbildungsmaßnahmen begleitet werden und ein interdisziplinäres Team aus IT, HR und regulatorischen Experten an der Umsetzung beteiligt ist. Wirtschaftsinformatiker können hierbei eine zentrale Brückenfunktion einnehmen.
Welche arbeitsrechtlichen Rechten und Pflichten für Arbeitgeber mit dem KI-Einsatz einhergehen, erklären unsere Juristen in diesem Artikel.
Welche drei Maßnahmen sollten Unternehmen jetzt ergreifen, um sich auf die Zukunft der KI im Personalmanagement optimal vorzubereiten?
Es gibt viele Aspekte, die Unternehmen beachten sollten, aber drei sind aus meiner Sicht besonders entscheidend. Erstens, die technologische Basis muss stimmen. HR-Abteilungen müssen sich aktiv mit Datenmanagement und KI-Grundlagen auseinandersetzen. KI kann nur so gut sein wie die Daten, mit denen sie arbeitet – daher sind strukturierte, qualitativ hochwertige und ethisch vertretbare Datensätze essenziell. Zweitens, Mitarbeitende frühzeitig einbinden. Die besten KI-Systeme nützen nichts, wenn sie auf Skepsis oder Ablehnung stoßen. Unternehmen sollten frühzeitig Schulungen und Transparenzmaßnahmen einführen. Erklärbare KI-Ansätze helfen, Vertrauen zu schaffen – auch wenn sie in manchen Fällen weniger leistungsfähig sind als sogenannte Blackbox-Modelle. Drittens, nachhaltige Strukturen für KI-Governance aufbauen. Unternehmen müssen klare Prozesse zur Überprüfung von KI-Entscheidungen und Datenqualität etablieren. Algorithmen dürfen nicht statisch bleiben – regelmäßige Audits und Anpassungen sind essenziell, um Verzerrungen zu minimieren und die sich entwickelnden regulatorischen Anforderungen, etwa durch den AI-Act der EU, einzuhalten.
Wer diese drei Maßnahmen konsequent umsetzt, wird nicht nur kurzfristig von Effizienzgewinnen profitieren, sondern auch langfristig eine wettbewerbsfähige und verantwortungsvolle HR-Strategie aufbauen.
ist seit 2019 Professor für Wirtschaftsinformatik an der Georg-August-Universität Göttingen. Seine Forschung konzentriert sich auf datengetriebene Innovationen, digitale Plattformen und Ökosysteme sowie deren Einfluss auf Unternehmen und Individuen. An der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät lehrt er zu digitalem Handel, Geschäftsmodellinnovation und der Gestaltung digitaler Plattformen. Vor seiner akademischen Laufbahn sammelte er Praxiserfahrung bei SAP und Roland Berger Strategy Consultants.
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