Qualifizierung zum Transformationslotsen

Interview mit Christian Dräger: "Unbeständigkeit als Chance sehen"

In einer Online-Veranstaltung im September und in der vergangenen aufgeschrieben-Ausgabe haben wir Ihnen bereits die Qualifizierung zum Transformationslotsen vorgestellt. Einer der Dozenten der dreimonatigen geförderten Weiterbildung ist Christian Dräger. Er garantiert: „Jeder nimmt etwas Brauchbares mit.“ Was das sein kann, verrät er im folgenden Interview.

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Herr Dräger, warum lassen Unternehmen ihre Mitarbeiter zum Transformationslotsen ausbilden?

Unternehmen brauchen aktuell Orientierung in der VUKA-Welt – also einer Welt, die volatil, unsicher, komplex und ambivalent/mehrdeutig ist. Das klassische Projektmanagement führt in dieser Welt oft nicht mehr zum Ziel, weil am Anfang nicht sicher ist, welches Ergebnis am Ende herauskommt. Dafür gibt es einfach zu viele Unwägbarkeiten, auf die reagiert werden muss. Die Container- oder auch Halbleiterkrise sind gute Beispiele dafür. 

Diese Unbeständigkeit schafft Unsicherheit. Denn wir assoziieren Unbeständigkeit in der Regel mit etwas  Negativem, außerhalb unserer Komfortzone. Doch genau dort findet Wachstum und Verbesserung  statt. Wir sollten also die kontinuierlichen Veränderungen als kontinuierliche Verbesserungen statt als Bedrohungen wahrnehmen. Womit wir beim 
Kern der Qualifizierung zum Transformationslotsen sind: Ziel ist es, diesen mentalen Wandel bei den Teilnehmern zu unterstützen, ihnen genau diese Einstellung weiterzugeben. 

Wie gelingt der Mindshift?

Der gelingt, indem wir Orientierung schaffen. Verschiedene Branchen haben ja ganz unterschiedliche Voraussetzungen,  Unternehmen verschiedene Firmenphilosophien. Das heißt jedes Unternehmen braucht seine ganze eigene Vision. Für die Qualifizierung bedeutet das, dass die Teilnehmer dafür sensibilisiert werden, vorhandene Themen und Strukturen mal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten, sich der eigenen Ressourcen bewusst zu werden und Zusammenhänge  anzuschauen. Hier geht es nicht um die Suche nach dem WIE oder WAS, sondern das WARUM steht im Mittelpunkt.

Warum will man als Unternehmen erfolgreich weiterexistieren? Weil man etwas Sinnvolles tut, oder eine wichtige Dienstleistung erbringt. Es geht darum, die Teilnehmer den Sinn finden zu lassen. Denn das schafft Motivation. Und etwas Besseres als motivierte Mitarbeiter, die wissen, warum sie etwas tun, gibt es nicht.

Das heißt, dass sich die Teilnehmer zunächst ihrer eigenen Unsicherheit bewusst werden und im zweiten Schritt lernen, wie man sie beherrschen und in etwas Positives verwandeln kann. So wird aus der ursprünglich risikolastigen VUKA-Welt plötzlich eine große Chance: Vision, Verstehen/understanding, Klarheit und Agilität.

Die Weiterbildung wird branchenübergreifend vom Bildungswerk der Niedersächsischen Wirtschaft in Zusammenarbeit mit der Agentur für Arbeit und den Sozialpartnern von Arbeit und Leben angeboten. Auch Mitarbeiter von Unternehmen aus Hamburg und Schleswig-Holstein können daran teilnehmen. Weitere Informationen gibt es hier.

Aber gerade um das Wie oder Was drehen sich die Erwartungen der Teilnehmer zu Beginn der Weiterbildung sicher häufig?

Das stimmt, die Teilnehmer kommen teilweise mit sehr konkreten, beispielsweise technischen Fragen: Wie kann ich Maschine xy anbinden, welches Kabel brauche ich? Das löst sich im Laufe der Qualifizierung auf in Richtung des Warum. Am Ende kommt dann unter Umständen raus, dass man weder das Kabel noch diese eine besagte Maschine benötigt, weil die technische Lösung eine ganz andere ist. Um das zu verstehen, muss man aber erst einmal seine Sichtweise ändern und erkennen, dass es noch andere Sichtweisen gibt.

Können Sie das anhand von Beispielen verdeutlichen?

Teilnehmer aus der HR-Abteilung möchten beispielsweise oft erfahren, wie sie ihre Kollegen dazu bringen, motiviert und kreativ zu arbeiten. Dazu müssen sie aber erst einmal verstehen, dass Menschen generell gar nicht in der Lage dazu sind, wenn ihr Gehirn von Ängsten blockiert ist. Es muss also zunächst darum gehen, Ängste zu verstehen und aufzulösen. 
Einem Teilnehmer aus der Produktion wiederum spukte beispielsweise nach der Qualifizierung nicht mehr omnipräsent die Verunsicherung wegen einer anstehenden Digitalisierung im Kopf herum, sondern er konnte sich wieder auf seine eigentlichen Aufgaben, auf Qualitätsmanagement und Zertifizierung, konzentrieren. Denn um die jeweils unternehmenseigene Vision von Digitalisierung erfolgreich verwirklichen zu können, muss die Basis funktionieren und oft ist die dafür nötige Erkenntnis, dass man das, was man hat, besser zu nutzen weiß. Es geht darum, Gedankengrenzen aufzulösen, Orientierung zu geben, an welchen Schwachstellen Unternehmen arbeiten müssen und welche Stärken sie ausbauen sollten. 
Die Teilnehmer erleben während den drei Monaten so viele AHA-Effekte, dass sich ihre Erwartungen im Laufe der Weiterbildung fortwiegend ändern. Ein Teilnehmer sagte neulich zu mir: „Das war wie eine Netflix-Serie, schade, dass es jetzt vorbei ist.“ Und ich kann Ihnen versprechen: Jeder nimmt etwas Brauchbares mit. 

Christian Dräger


ist selbstständiger Coach, Trainer und Berater. Unter anderem war er 20 Jahre in der Automobilindustrie tätig und ist im Lean Management verwurzelt.