Im Januar hatten wir mit Frank Dopheide einen Experten für den Wandel von Unternehmens- und Führungskultur in unserer Online-Reihe „Positionsbestimmungen“ zu Gast. Was laut Dopheide wirkungsvolle Führungskultur auszeichnet und welche neuen Rollen eine Führungskraft dabei erfüllt, lesen Sie in diesem Bericht.
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Das alte System: Der CFO wird zum CEO
Spätestens seit dem Taylorismus stecke unsere Wirtschaft in einem Korsett aus Zahlen und Effizienz fest. Ebenso fest steckte im modernen Managergehirn lange Zeit die Zielvorstellung, den Unternehmenswert mit allen Mitteln zu steigern.
Woher diese Denke kam? „Deutschland ist Weltmeister im Befördern von CFOs zu CEOs.“ Und CFOs lesen nun mal mehr Excel-Tabellen als Bücher. Sie sind trainiert mit der Financial Community zu sprechen. Deshalb ist Kommunikation auch inzwischen in allen Unternehmen so ein riesiges Thema, so Dopheide. Denn die maximale Fokussierung auf Profitsteigerung, Effizienz und Shareholder Value bringe die folgenden Effekte mit sich:
Dieser Goodwill sei für Unternehmen aber extrem wichtig: Die Gesellschaft müsse den Mehrwert eines Unternehmens spüren und verstehen, dass sie davon profitiert, dass es das Unternehmen gibt. Und ob ein Unternehmen diesen gesellschaftlichen Mehrwert bietet, habe natürlich auch Einfluss auf das Innenleben einer Organisation: Auf die Mitarbeiterzufriedenheit und Kundenbindung.
Eines der beliebtesten Werkzeuge, um Beziehungen zwischen Menschen zu optimieren ist laut Dopheide das Jahresgespräch. Deshalb lud er die TeilnehmerInnen zu einem Gedankenexperiment ein:
Führen Sie ein solches Gespräch mit dem Menschen, der Ihnen am wichtigsten ist. Sie gehen nach Hause zu Ihrem Partner, holen die Wiedervorlagemappe raus. Sie erklären, dass Sie ihre Ehe auf ein höheres Niveau heben möchten. Deshalb hätten Sie ein 360 Grad Feedback eingeholt – von den Schwiegereltern, Bekannten aus dem Sportclub und den fünf engsten Freunden. Auch ein Benchmark hätten Sie erstellt. Dabei stellten Sie fest: Da ist noch Optimierungspotenzial. Deshalb schlagen sie einige Zielvereinbarungen vor.
Ob das wohl Erfolg zeigt?
„Kulturwandel bedeutet Schmerztherapie“
Wie also steigert man den Goodwill und demzufolge auch Mitarbeiterzufriedenheit? Menschen und Organisationen hätten einen eingebauten Energiesparmodus. Um diesen zu verlassen, braucht es Vorstellungsvermögen – ein Bild im Kopf der Mitarbeitenden über die Zukunft und den Sinn des eigenen Unternehmens, so Dopheide. Das erreiche man nicht durch Excel-Tabellen, sondern mit Storytelling.
Die Aufgaben der neuen Führungskraft
Daraus resultiert laut Dopheide eine neue Nummer eins-Aufgabe für das Top-Management: „Geben Sie Ihren Mitarbeitern den Glauben an das tägliche Handeln wieder. Werden Sie zum Sinngeber“ Und Aufgabe Nummer zwei? „Erzählen Sie die Geschichte: Wofür sind Sie am Start, was ist die Aufgabe Ihres Unternehmens, welche Rolle spielt dabei der einzelne Mitarbeitende.“
„Die Mutter aller Antworten ist eine Frage und die Frage lautet wofür“, beschrieb Dopheide. Wofür macht ein Unternehmen das, was es tut. Das lasse sich übersetzen in „Purpose“, also beseelt sein. Immer, wenn wir Leute treffen, die beseelt von dem sind, was sie tun, sind wir beeindruckt, erklärte er. Diese Menschen könnten über sich hinauswachsen. Gleiches gelte auch für Unternehmen – denn auch dahinter stecken Menschen. Wenn diese ihren Purpose formulieren können, bekämen Unternehmen Flügel.
Und wie kommt man diesem Purpose auf die Schliche? Ganz einfach: Indem man Menschen quer im Unternehmen befragt: Was ist eigentlich deine tollste Geschichte im Unternehmen? Nach ein paar Geschichten entwickele sich Muster von dem, was Menschen erfüllt, was ihnen Freude macht, und das sich verdichten lässt zum „Kern des täglichen Handelns“.
Corona wirkt wie ein Umerziehungslager
Das Wertesystem von Menschen jüngerer Generationen geht in diese Richtung, führte Dopheide weiter aus. Die Führungsebene, die jetzt auf dem Chefsessel sitzt, sei allerdings überwiegend im alten System großgeworden. Die Welt entgegen der inneren Überzeugung umzubauen, sei schwierig. Die Hoffnung sei jedoch, dass Corona wie eine Art Umerziehungslager wirkt. Viele Topmanager hätten während Corona instinktiv richtig gehandelt. „Sie haben super und viel kommuniziert, sie waren auf einmal wirklich sichtbarer und greifbarer. Früher sind sie über ihren eigenen Aufzug in ihr eigenes Eckbüro gefahren. Heute sitzen sie im Polohemd zuhause vor dem Laptop und hinter ihnen an der Wand hängen gekritzelte Kinderbilder.“
Das neue Führungsprofil
Der heutige Vorgesetzte solle verschiedene Rollen erfüllen: Als Vorbild wirken, als Vorarbeiter auch mal selbst die Ärmel hochkrempeln und als Vordenker neue Ideen entwickeln.
Die Führungskraft müsse viel sichtbarer werden, mehr kommunizieren, erlebbar, hörbar und ansprechbar sein. Dazu gehörten ganz konkret alle Berührungspunkte, die eine Führungskraft mit den eigenen Leuten hat: Die Betreffzeile von Mails, die Verabschiedung, die Tonalität, Einstiegsrituale bei Meetings.
„Die Aufgabe ist, Kommunikation aufzurüsten, Begegnung zu organisieren und dem Menschlichen, das links und rechts neben dem Effizienten liegt, mehr Gewicht zu geben. Möglicherweise durch Rituale und kleine Details. Man braucht einen viel stärkeren Drang zu Kommunikation“, erklärte er.
Mehr zu unserem Referenten Frank Dopheide und dem Thema Purpose:
https://humanunlimited.de
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