Durch Hackerangriffe entsteht in Deutschland jedes Jahr ein Schaden in Höhe von 203 Milliarden Euro. Laut offiziellen Statistiken wurden 81 Unternehmen im Jahr 2022 Opfer von Cyberkriminalität – die Dunkelziffer ist deutlich höher. Wie gehen die Täter vor und wie kann man sich schützen? Darüber sprach der Wirtschaftspsychologe und Geheimdienstanalyst Mark T. Hofmann in unserer Online-Veranstaltungsreihe „Positionsbestimmungen“ Ende August.
Viele Menschen würden sich den typischen Hacker so vorstellen: jung, männlich, intelligent, Einzeltäter. Jemand, der sich in seiner Freizeit illegal Zugang in fremde Computersysteme verschafft. Diese Hacker gebe es auch – aber sie sind laut Hofmann nur eine kleine Minderheit. Tatsächlich würden hinter Cyberangriffen in den meisten Fällen richtige Organisationen stecken, die wie Dienstleistungsunternehmen agieren: mit Mitarbeitern, einem Kundenservice, einem Qualitätsmanagement und teilweise sogar mit einer eigenen Pressestelle.
Für eine weitere falsche Vorstellung im Zusammenhang mit Cyberkriminalität sorge der so genannte Third-Person-Effekt. Dahinter verberge sich die Annahme, dass negative Effekte nur andere betreffen, nicht einen selbst. Vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen gingen oft davon aus, dass sie nicht groß oder wichtig genug seien, um Opfer von Cyberkriminalität zu werden. Laut Hofmann ein fataler Irrtum. Denn der Fokus der Angriffe habe sich inzwischen auf den Mittelstand verschoben. „Der Grund dafür ist ganz einfach“, erklärt der Experte. „Hier haben die Angreifer das beste Preis-Leistungs-Verhältnis: relativ viel Geld bei vergleichsweise wenig Schutz.“
Die größte Gefahr für den Mittelstand sei Ransomware – eine Schadsoftware, die den Zugriff auf die eigenen Daten unterbinde. Um diese wiederzubekommen, müsse das Unternehmen in der Regel ein Lösegeld zahlen. Bezahle es nicht, seien die Daten verloren und würden teilweise im Darknet zum Kauf angeboten. Den Zugang zu den Systemen würden sich die Kriminellen in den meisten Fällen
(Bruce Schneier)
nicht durch Hacking-Programme verschaffen. Dies sei viel zu aufwendig. Viel einfacher gelinge es durch so genanntes „Social Engineering“. Dabei würden die Täter Mitarbeiter dazu bringen, Passwörter oder andere sensible Daten herauszugeben bzw. unabsichtlich Schadsoftware zu installieren. Folgende Methoden kommen laut Hofmann am häufigsten zum Einsatz:
Eines hätten alle Methoden gemeinsam: Sie würden menschliche Emotionen wie Zuneigung, Neugier, Angst oder Scham ausnutzen.
(Mark T. Hofmann)
Der erste Schritt einer guten Abwehr bestehe darin, seine Naivität abzulegen und nicht auf den Third-Person-Effekt hereinzufallen. „Glauben Sie nicht, Sie seien zu klein oder zu unbedeutend für einen Hackerangriff. Ich habe erlebt, dass sogar Kitas gehackt wurden. Wenn Sie wichtiger als eine Kita sind, sind Sie ein potenzielles Ziel“, so Hofmann. „Es gibt nur zwei Kategorien von Unternehmen: die, die schon angegriffen wurden und die, die noch angegriffen werden.“ Deshalb müsse man das Thema in den Unternehmen zur Chefsache machen.
Neben technischer und physischer Awareness – z. B. starke Passwörter, regelmäßige Updates, eine gute Firewall und gesicherte Endgeräte – sei auch psychologische Awareness von zentraler Bedeutung. „Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über die Methoden von Cyberkriminellen. Schulen Sie sie darin, aufmerksam zu sein und sich nicht unter Druck setzen zu lassen, wenn ihnen etwas komisch vorkommt“, empfiehlt der Experte.
Denn meist helfe es schon kurz durchzuatmen und die Anfrage zu überprüfen, z. B. durch einen Rückruf oder eine Sicherheitsfrage, die nur der echte Chef oder Kollege beantworten kann. Die wichtigste Zielgruppe seien dabei die Mitarbeiter, die sich nicht für das Thema interessieren oder glauben, es beträfe sie nicht. Denn sie seien oft das schwächste Glied in der Kette.
Außerdem sei es wichtig, sich auf einen echten Angriff vorzubereiten. Dafür brauche man eine Cyberabwehrstrategie, bestehend aus:
Jeder Mitarbeiter müsse im Ernstfall wissen, was zu tun ist und wer informiert werden muss. Hofmann empfiehlt: „Seien Sie auch auf den schlimmsten Fall vorbereitet und üben Sie Cyberangriffe so regelmäßig wie das richtige Verhalten im Brandfall.“
Mark T. Hofmann
Kriminal- & Geheimdienstanalyst/ Organisationspsychologe
Am 7. Dezember 2023 findet die Folgeveranstaltung „Notfallplan Cyberangriff" im Haus der Chemie in Laatzen statt.
Hier wird es um die Fragen gehen: „Wie bereite ich mein Unternehmen auf einen Cyberangriff vor?", „Wo bekomme ich bei einem Angriff Hilfe?" und „Wie gehe ich mit Ransomeware und Erpressern um?"
Die Einladung zur Veranstaltung wird in Kürze versendet.
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