Aus dem Arbeitsrecht

Der Betriebsrat hat bei der Nutzung von ChatGPT kein Mitbestimmungsrecht

Das Arbeitsgericht Hamburg hatte im Januar dieses Jahres darüber zu entscheiden, ob ein Recht auf Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Nutzung von ChatGPT besteht. Das Urteil lautete: Nein. Wir erklären die Hintergründe und Einzelheiten.

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Worum ging es bei der Verhandlung? 

Der Arbeitgeber beabsichtigte, seinen Beschäftigten die Nutzung generativer Künstlicher Intelligenz (KI) als neues Werkzeug bei der Arbeit zur Unterstützung zu erlauben. Das Programm wollte er jedoch nicht selbst einführen. Weder ChatGPT noch andere generative KI-Tools wurden auf den Computersystemen des Unternehmens installiert. Vorliegend sollte die Nutzung mittels eines Webbrowsers erfolgen.

Zur Nutzung von ChatGPT oder einem anderen KI-Tool mussten sich die Mitarbeitenden selbst private Accounts auf dem Server des jeweiligen Herstellers anlegen. Etwaige Kosten mussten die Mitarbeitenden selbst tragen. Der Arbeitgeber erstellte Leitlinien für die Nutzung von KI.  Dem Arbeitgeber war nicht bekannt, welche der Mitarbeitenden einen Account eingerichtet hatten. Ebenso wenig hatte der Arbeitgeber Informationen darüber, wann, in welchem Zusammenhang und wie lange das Tool genutzt wurde und welche Informationen gegenüber dem System preisgegeben wurden. 
Im Betrieb existierte bereits eine Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Webbrowsern. Der Betriebsrat war hiermit nicht einverstanden. Er forderte, dass der Arbeitgeber die Nutzung der KI-Tools untersagt, solange noch keine Betriebsvereinbarung zur Nutzung von KI getroffen worden ist. Der Betriebsrat berief sich insbesondere auf sein Mitbestimmungsrecht.

Rechtliche Würdigung

Das Arbeitsgericht entschied, dass kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats besteht. Der Betriebsrat habe nach Auffassung des Gerichts keinen Anspruch auf Beteiligung zur Nutzung von ChatGPT durch die Mitarbeitenden. Aus § 87 Abs. 1 BetrVG folgte im konkreten Fall keine Notwendigkeit für den Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Nutzung von KI-Tools, so das Gericht. Dies bergründete das Gericht damit, dass die Nutzung von KI-Tools die Arbeitsleistung und nicht das Ordnungsverhalten der Mitarbeitenden im Betrieb betrifft. Eine konkrete Gefährdung sei laut Arbeitsgericht ebenfalls nicht erkennbar, sodass auch ein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht einschlägig sei.

Ebenfalls sah das Gericht auch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG. Die Aufzeichnung, die der Webbrowser bei der Nutzung von ChatGPT anfertigt, erfolge bei sämtlichen Nutzungen des Webbrowsers und stelle somit keine Besonderheit der KI-Tools dar, so das Gericht. In Hinblick auf die potenzielle Überwachung durch den Webbrowser reiche die bestehende Betriebsvereinbarung aus. Auch eine Kennzeichnungspflicht für Werke, die mit Hilfe von KI erstellt worden sind, rechtfertige nach Ansicht des Gerichts kein anderes Ergebnis. Denn die technische Einrichtung selbst müsse die Überwachung ermöglichen und nicht das Verhalten der Beschäftigten.

Praxishinweis: Es ist dennoch Vorsicht geboten

Die gerichtliche Entscheidung lässt sich nicht pauschal auf alle Betriebe übertragen und sollte nicht vorschnell verallgemeinert werden.
Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist generell bei der Nutzung von ChatGPT durchaus denkbar, da ggf. hiermit Überwachungsmöglichkeiten einhergehen. Es kommt – wie immer – auf den Einzelfall an. In diesem Fall wies der Sachverhalt einige Besonderheiten auf. Zum einen gab es bereits eine Betriebsvereinbarung zum Browser und zum anderen wurden die KI-Tools nicht installiert und es wurden keine Dienstaccounts zur Verfügung gestellt.

Für den Fall, dass bislang noch keine Betriebsvereinbarung zur Nutzung von Webbrowsern abgeschlossen wurde oder Dienstaccounts angelegt werden, kann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestehen. Hier sollte unbedingt vorab eine rechtliche Prüfung – gern auch mit unserer Unterstützung – vorgenommen werden.

Ausblick

Der Einsatz von KI im Arbeitsverhältnis weist zahlreiche mitbestimmungsrechtliche Einzelfragen auf und wird die Arbeitsgerichte wohl auch in Zukunft vermehrt beschäftigen. Die Bedeutung von KI wird in der Arbeitswelt immer weiter zunehmen, insbesondere auch durch die Verordnung für Künstliche Intelligenz, die voraussichtlich im Sommer 2026 in Kraft treten wird. Ziel der Verordnung soll sein, KI-Anwendungen zu regulieren aber dennoch Innovationen zu fördern. Hierzu werden wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden halten.

Gerne stehen Ihnen die Kolleginnen und Kollegen aus der Rechtsabteilung bei Fragen unterstützend zur Seite – über die bekannten Wege oder info@chemienord.de und die Telefonnummer 0511 98490-0.

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