Die chemisch-pharmazeutische Industrie befindet sich mitten in der Transformation. Unternehmen müssen sich an den digitalen und technologischen Wandel, Herausforderungen im Bereich Energie und Rohstoffe, geopolitische Verwerfungen, die demographische Entwicklung und den Trend hin zu einer nachhaltigen Produktion anpassen. Welche Auswirkungen wird das auf die Branche und ihre Beschäftigten in den kommenden Jahren haben? Antworten auf diese Frage gibt die aktuelle BAVC-Studie „Chemie-Arbeitswelten 2030“.
Die Studie wurde im Auftrag der Chemiearbeitgeber von der Boston Consulting Group erstellt. Sie prognostiziert die Entwicklung des Beschäftigungsbedarfs in der chemisch-pharmazeutischen Industrie bis zum Jahr 2030. Drei Szenarien seien für die künftige Entwicklung der Arbeitswelt unter dem Einfluss der Transformation in der Chemie denkbar: „Rückschritt“, „Stillstand“ und „Fortschritt“.
Die Untersuchung gibt Antworten auf drei zentrale Fragen:
• Welche Beschäftigungseffekte sind in den kommenden Jahren zu erwarten?
• Welche Kompetenzen werden stärker nachgefragt, welche weniger?
• Welche Rolle spielt Human Resources (HR) in der Transformation?
Wenn die Transformation gelinge, werde die Chemie bis 2030 etwa 25.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen können. Das entspreche einem Plus von sechs Prozent („Fortschritt“). Gelinge der Umbruch nicht, drohe im schlimmsten Fall ein Rückgang des Arbeitskräftebedarfs in diesem Zeitraum um über 60.000 Vollzeitstellen, einem Minus von 15 Prozent („Rückschritt“). Welches Szenario eintritt hängt laut Studie davon ab, wie erfolgreich die Branche die Transformation hin zu nachhaltigen Technologien, effizienterem Personaleinsatz und höherem Digitalisierungsgrad meistere.
Über alle Szenarien hinweg würden kaufmännische und Laborberufe weniger nachgefragt. Zu massiven Engpässen käme es bei Profilen mit IT- und Nachhaltigkeitsschwerpunkt. Bis 2030 würden allein im IT-Bereich bis zu 9.000 zusätzliche Fachkräfte gebraucht. Mit Blick auf die Berufsfelder – Produktion, Labor, Forschung und Entwicklung usw. – gehen die Studienmacher von einer Verschiebung der benötigten Fähigkeiten („Skillshift“) in Richtung IT und Nachhaltigkeit aus.
Die Weichen für Erfolg oder Misserfolg werden laut der Studie bis 2025 gestellt – einerseits durch politische Entscheidungen, andererseits durch Management-Maßnahmen der Unternehmen. Die Politik könne und müsse durch verbesserte Rahmenbedingungen – wie wettbewerbsfähige Energie- und Rohstoffkosten, gute Infrastruktur, ein modernes Arbeitsrecht, mehr Vermittlung digitaler Kompetenzen schon in der Schule sowie mehr qualifizierte Zuwanderung, die sich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientiert – Einfluss nehmen. Zugleich sei es dringend notwendig, auch das inländische Erwerbspersonenpotenzial besser auszuschöpfen: mit einer Stärkung des Nachwuchses in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, besseren Betreuungsmöglichkeiten und einer Verlängerung der Lebensarbeitszeit.
Neben den politischen Rahmenbedingungen brauche es von den Unternehmen mutige Initiativen, um die Attraktivität der Branche zu steigern. Aufgabe der Unternehmen sei es, durch eine klare Arbeitgebermarke, flexible Arbeitsmodelle (besonders in der Produktion) sowie eine zeitgemäße Kommunikation und Führungskultur für Talente interessant zu sein. Wichtig sei außerdem, noch mehr in die eigene Ausbildung zu investieren und das Weiterbildungsengagement zu erhöhen. HR komme eine Schlüsselrolle zu, die sie nur mit erweiterten Kompetenzen in den Bereichen Recruiting, Marketing, Kommunikation und IT ausfüllen könne.
In welchem Szenario sich die Branche im Jahr 2030 tatsächlich wiederfinden werde, sei ungewiss. Der Weg sei keineswegs vorgezeichnet. Würden die Weichen jetzt richtig gestellt, könne sie einen Weg einschlagen, der gut für Beschäftigte, die Industrie und den Standort Deutschland sei.
Hier können Sie sich die vollständige Studie herunterladen.
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